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Der Schicksalstag von Adrianopel

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Beitrag  Magiccircle So Apr 15, 2012 11:20 pm

9. August 378 n. Chr
Es war ein Wendepunkt der römischen Geschichte:
Als die Nacht des 9. August hereinbrach, war ein römischer Kaiser gefallen. Mit ihm ein Großteil seines Heeres. Die römische Armee würde sich nie mehr von diesem Schlag erholen.
Und die siegreichen Goten nie mehr das römische Reich verlassen.

Der Hunnensturm aus dem Osten traf die gotischen Völker nördlich des Schwarzen Meers mit voller Wucht. Der unterlegene Gotenstamm der Terwingen - besser bekannt als Westgoten - floh richtug Donau und bat Kaiser Flavius Valens 376 n. Chr. um die Erlaubnis, sich auf römischem Boden ansiedeln zu dürfen. Valens, der über die östliche Hälfte des Römischen Reichs gegierte, konnte gotische Krieger als Söldner gut gebrauchen. zudem bereitete er gerade einen Feldzug gegen das sassanidische perserreich vor, da konnte er sich eine zusätzliche Konfrontation mit den germanen nicht leisten. Also erlaubte Valens den Westgoten die Überquerung der Donau.
Die Westgoten waren Familienverbände auf Wanderschaft: Frauen, Kinder, Greise und natürlich Krieger. Hunnen, Greutungen (Ostgoten) und Alanen begleiteten die Terwingen. Dazu kamen Sklaven und Kriegsgefangene aus den Goldminen, die vor ihrer harten Arbeit geflohen waren. Es waren militärische Zweckbündnisse, aber keine geschloßenen Völkergemeinschaften. Ein bunt gemischter Völkerhaufen wanderte in das straff organisierte Römische Reich ein.
Die römischen Behörden sollten eigentlich die Westgoten mit Lebensmitteln versorgen und ihnen Land zuweisen, doch stattdessen schikanierten sie diese unbarmherzig und verkauften ihnen sogar das Aas von Hunden zu einem hohen Preis. Ja, die römer forderten als Gegenleistung für Nahrung Kinder als Sklaven. Als Fritigern, der Anführer der Terwingen, nur knapp einem Mordanschlag der Römer entkam, eskalierte die Lage, die Krieger erhoben sich, schlugen ein römisches Heer und plünderten Thrakien. Im Jahr darauf endete ein blutige Schlacht zwischen Westgoten und Römern unentschieden.
Wieder ein Jahr später, nämlich 378 n. Chr. suchte Kaiser Valens die Entscheidung.Sein Neffe Gratian, der die westliche Reichshälfte lenkte, wollte ihm mit Truppen zu Hilfe kommen. doch Gratians Hilfe verzögerte sich, weil ihn die Germanen angriffen.Valens schloß mit den Persern Frieden, um den Rücken frei zu haben, und brach mit15000 bis 20000, vielleicht auch mit 30000 Mann gegen die Westgoten auf. Der 50 Jahre alte Kaiser zog an Adrianopel (heute das türkische Edirne) vorbei, das an einer stategisch wichtigen Straße lag, die von Konstantinopel über den Balkanraum bis nach Rom führte.
Valens war ein erfahrener Militär, sein Heer bestand aus routinierten Soldaten. Schwere, gut gedrillte Infanterie mit Kettenhemden, Helmen, Schilden, Speeren, Lanzen und Langschwertern. Leichte Kavallerie als Aufklärer und Plänkler sowie berittene Bogenschützen. Sicherlich hatte Valens auch die furchterregenden Panzerreiter dabei. Selbst die Perde dieser als Kataphrakten bezeichneten schweren Kavallerie waren gepanzert.
Doch Fritigern machte Valens einen Strich durch die Rechnung: Er zog hinter Valens vorbei und drohte ihm die lebenswichtige Verbindung nach Konstantinopel abzuschneiden: Die römischen Späher entdeckten die Goten im Rücken der Römer zwar, doch sie schätzten deren Stärke falsch ein:
!0000 Mann sollten es nur sein - ein fataler Fehler. Valens drehte sofort um und schlug bei Adrianopel sein Lager auf. Im Kriegsrat tobte der Streit: Sollte man auf die Verstärkung von Gratian warten, der endlich im Anmarsch war, oder sich allein den Goten stellen? Würde Valens den Sieg ohne die Hilfe seines Neffen erringen,so könnte er den ganzen Ruhm einheimsen. Zudem brachte Gratian ja ohnehin nur eine kleine Truppe mit,diese dürfte kaum schlachtentscheidend sein.
Als Fritigern das römische Heer sah,stoppte er den Vormarsch und schickte einen christlichen Priester als Unterhändler zu den Römern. Die Goten wollten den alten Friedensvertrag wieder in Kraft setzen und von Rom das Recht auf Ansiedlung in Thrakien zugestanden bekommen,ließ der Gotenfürst dem Kaiser übermitteln. Ob Fritigern wirklich Frieden oder nur Zeit gewinnen wollte - wir wissen es nicht. Nur eins steht fest: Fritigern hatte noch einen Trumpf in seiner Hinterhand. Die verbündeten Reiterkrieger der Alauen und Greutungen waren im Anmarsch.
Valens entschied sich für den Angriff. Am 9. August378 n. Chr zogen die Römer im Morgengrauen aus ihrem Lager Richtung Norden. Es war ein heißer Tag,die Sonne brannte auf die Soldaten in ihren schweren Rüstungen herab.Die Soldaten quälten Hunger und vor allem Durst, als sie sich mühsam durch das hügelige Gelände bis zum Lager der Goten vorarbeiteten. Nach 13 Kilometern Marsch trafen die Römer am frühen Nachmittag auf die gotischen Stellungen.Die Goten hatten alle Nicht-Kämpfer hinter ihren Wagenburgen in Sicherheit gebracht. Davor stand das westgotische Heer,wohl 10000 Mann stark (manche moderne Historiker halten bis zu 25000 Krieger für möglich.
Die Römer stellten sich sofort zur Schlacht auf: Im Zentrum die Infanterie, davor leicht bewaffnete Plänkler, Kavallerie deckte die Flanken. Erneut verhandelten beide Seiten. Die Goten heizten den erschöpften Römern zusätzlich ein und zündeten die Büsche an.Der Wind trieb den römischen Soldaten die Hitze und den Rauch direkt ins Gesicht.
Noch während der Verhandlungen unternahm am rechten Flügel die römische Reiterei unterstützt von Bogenschützen einen undisziplinierten Vorstoß. Die Goten wehrten ihn ab. Plötzlich erscheinen Fritigerns Reiter auf dem Schlachtfeld - vermutlich weitere 10000 Krieger. Die römischen Truppen hatten sich am linken Flügel zwischenzeitlich fast bis an die Wagenburgen heran gekämpft, wurden dann aber doch zurückgedrängt. Die Goten schlugen nun auch noch die Reserve der römischen Kavallerie in die Flucht, so dass die römische Infanterie an den Flanken und im Rücken schutzlos war; ähnlich wie einige hundert Jahre zuvor bei Cannae wurde das römische Heer auf engstem Raum eingekesselt. Der römische Historiker Ammianus Marcellinus berichtet: >So trafen denn die von allenm Seiten her fliegenden tödlichen Geschosse mit furchtbarer Sicherheit ihren Mann und schlugen tiefe Wunden. Man konnte sie ja nicht kommen sehen und sich vor ihnen decken<.
Die eingeschlossenen Römer wehrten sich Tapfer: >Da konnte man manchen Barbaren sehen,wie er - die Zähne knirschend zusammengebissen,mit durchschnittener Kniekehle oder abgehauener Rechten oder durchbohrter Seite dicht vor dem Tode noch drohend die wilden Augen im Kreise schweifen liess.<
Doch vergebens,die Römer wurden niedergemetzelt,was der Chronist Ammianus Marcellinus drastisch formulierte: >Schliesslich färbte sich alles dunkelrot vom Blut und wohin auch die Augen sich richteten,lagen die Gefallenen zu Bergen aufgetürmt und rücksichtslos musste man auf den Leichen herumtreten.
Valens rettet sich zu zwei seiner bis dahin unbesiegten Legionen. Er wollte seine Reserve in die Schlacht befehlen,doch die waren längst geflüchtet. So ging Valens schliesslich mit seinen verbliebenen Truppen unter. Über seine Tod gibt es zwei Versionen: Nach der einen traf ihn ein Pfeil,er stürzte tödlich getroffen zwischen seine Soldaten,seine Leiche wurde nie gefunden. Nach der anderen schleppen Leibwächter und Eunuchen den verletzte Kaiser in ein Landhaus. Die Goten umstellten das Gebäude und wollten es stürmen,doch die Römer schlugen die Angreifer zurück. Da zündeten die Goten das Haus an und die Römer verbrannten darin-auch der verwundete Valens.
Laut Ammianus fielen zwei Drittel der römischen Armee. Der Kern des oströmischen Heeres war vernichtet. Die römische Armee sah nach Adrianopel anders aus. Nie mehr hatten sie diesen für sie eigentlich typischen großen Anteil an schwerer römischer Infanterie. Die römischen Kaiser setzten stattdessen verstärkt auf germanische Hilfstruppen, in deren militärische Abhängigkeit sie sich damit begaben.

Magiccircle
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