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19. Das dritte Sittengedicht aus der Edda von Felix Genzmer

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Beitrag  Magiccircle Di Okt 16, 2012 7:36 pm

Dieser dritte Spruchweise macht den Eindruck eines Nachzüglers. wir sind hier in ein ganz anderes Zeitalter gekommen; das Christentum macht sich bemerklich neben grell heidnischen Geboten der Faustrechtlehre: eine seltsame Mischung wie sie ähnlich in isländischen Geschichten aus dem 12. 13. Jahrhundert begegnet.
Die Ruhe des selbstsicheren Weltbeschauers ist gewichen einem dringlichen Zureden, der trockene Scherz einem fast bänglichen Wesen. Durch die vom nordischen Altertum geschaffenen Formen vernimmt man den Tonfall der Kanzel.

Heusler


1:
Das rat ich zum ersten,
daß du rechtschaffen dich
gegen den Nächsten benimmst;
sei langsam zur Rache,
tun sie auch Leid dir an!
Das bringt Heil nach dem Hinscheiden

2:
Das Rat ich zum andern,
daß du Eide nicht schwörst,
die der Wahrheit zuwider sind;
schlimme Fäden,
sind an den Schwurbruch geknüpft,
verfemt ist der Friedenswolf.

3:
Das rat ich zum dritten,
daß auf dem Thinge du nicht
dich einläßt mit Elenden:
ein unweiser Mann
sagt ärgstes leicht,
als er wirklich weiß.

4:
Ganz schlimm ist's,
schweigst du dazu:
dann findet man feige dich,
oder nennt wahr sein Wort;
verloren der Leumund ist,
wenn man sich nicht wacker bewährt.
andern Tags
gib Tod dem Falschen!Lohn ihm die Lüge so!

5:
Das rat ich zum vierten,
wenn eine ruchlose Hexe
an diesem Wege wohnt:
gehn ist besser
als Gast zu sein,
mag auch nahn die Nacht.

6:
Augen voll Umsicht
brauchen Erdensöhne
bei feindlichem Gefecht:
schlimme Weiber
sitzen am Wege oft,
dämpfen Schlachtmut und Schwert.

7:
Das rat ich zum fünften,
wenn du Frauen hold
auf der Bank erblickst.
von den schönen geschmückten,
laß dir den Schlaf nicht rauben!
Begehre keinen Kuß!

8.
Das rat ich zum sechsten,
wenn Rauschwort bei Männern
voll Haß sich erhebt,
nicht hadre trunken
mit Helmbäumen.
Das Bewußtsein stiehlt Wein.

9: Lärm und Bier
ist Leuten gewesen
oft zum Unheil schon:
dem einen zum Tod,
dem andern zur Trübsal:
mannig ist Menschenleid.

10:
Das rat ich zum siebenten,
wenn mit Recken voll Mut
dir ein Streit entsteht:
sich schlagen ist besser
für den Schmuckträger,
als zu brennen im Bau.

11:
Das rat ich zum achten,
daß du Arges meidest
und nicht Buhlstäbe brauchst:
nicht verführe die Maid
noch die Frau des andern!
Nicht verlocke zur Liebschaft sie!

12:
Das rat ich zum neunten,
daß zur Ruh du bergest,
wenn auf dem Feld du findest,
mag er waffentot
oder wellentot
oder siechtumtot sein.

13:
Ein Bad soll man
dem Verblichnen rüsten,
waschen Hände und Haupt,
ihn kämmen und trocknen,
eh er kommt in den Sarg,
ihm Friedensruh erflehn.

14:
Das rat ich zum zehnten:
nicht Zutrauen schenke
dem Wort des Wolfssprossen,
traf seinen Bruder dein Beil,
hast du den Vater gefällt:
ein Wolf steckt im Wachsenden,
ward er auch begütigt durch Gold.

15:
Glaube nicht,
daß der Grimm leicht schläft,
der Hader und Haß!
Witz und Waffen
muß der Wackre haben,
der gescheit erscheinen will.

16:
Das rat ich zum elften,
daß du vor Unheil dich hütest,
welchen Weg es wandern mag.

Anmerkungen:
Diese Lehrstrophe legt das Liederbuch der von Sigurd erweckten Walküre in den Mund, s. Nr. 40. An die Halbstrophe 16 schließen an, die Verse >Nicht lang seh ich. . . < ebd. Str. 6. 2 Friedenswolf: Brecher der Fridensgelübde. 6 (6)b Die Abstufung der Klingen durch Zauber spielt in vielen Erzählungen; s. Nr. 26 Str. 3, 7 (3) Auf der Bankbühne beim Gelage. 8 Helmbaum, Kenning für Krieger. 10 (4-6) Lieber ein offener Waffengang als von dem Gegner >drinnen verbrannt< werden. Schmuckträger, Umschreibung für den ringgeschmückten Mann. 11 Buhlstäbe, eigentlich Runen mit berückender Wirkung, dann übertragen für Verführungslisten 12 (2) Wörtlich: >daß du die Leichen bergest<, d.h. ihnen Nase und Augen zudrücktest. Dies war Vorschrift im Heidentum. 14 Der >Wolfssprosse< meint wohl >den Sohn dessen, mit dem du in Blutfehde standest<. (6) Der rachelustige Sohn (oder Bruder) des Getöteten wird mit dem Wolf verglichen.

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